Vorsorge und Früherkennung von Brustkrebs
Dr. med. Teelke Beck
19. Oktober 2023
8 min
Dr. med. Teelke Beck, welche Vorsorgemassnahmen empfehlen Sie Frauen, um das Brustkrebsrisiko zu reduzieren?
Oft werden die Begriffe Vorsorge und Früherkennung synonym verwendet und darunter das Gleiche verstanden. Sie haben jedoch unterschiedliche Bedeutungen und es macht Sinn, sie zu unterscheiden.
Die Früherkennung dient dazu, Krankheiten möglichst frühzeitig zu erkennen, um sie dann besser behandeln zu können. Hierzu zählen in der Früherkennung von Brustkrebs die Mammografie und der Ultraschall der Brust. Ab dem 50. Lebensjahr (bis zum 70. Lebensjahr) wird die Mammografie zur Früherkennung alle zwei Jahre empfohlen. Der Ultraschall wird dann eingesetzt, wenn die Brustdichte hoch ist und/oder unklare Befunde in der Mammografie zu sehen sind. Manche Kantone haben ein Früherkennungsprogramm, bei dem Frauen automatisch zur Untersuchung aufgeboten und die Kosten übernommen werden. Der Kanton Zürich bietet ein solches Programm jedoch nicht an. Auch ohne kantonales Früherkennungsprogramm empfehlen wir Frauen – auch ohne besonderes Risiko – alle zwei Jahre eine Mammografie durchführen zu lassen. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und statistisch gesehen ist ab dem 50. Lebensjahr jede achte Frau davon betroffen.
Bei der Vorsorge dagegen geht es darum, Krankheiten möglichst zu verhindern. Beim Brustkrebs hat vor allem der Lebensstil – etwas, das wir selbst steuern und beeinflussen können – in der Vorsorge eine grosse Bedeutung. Ernährung, Bewegung und Entspannung sind wesentliche Pfeiler in der Vorbeugung von Krankheiten, nicht nur von Brustkrebs. Indem Frauen Übergewicht vermeiden, nicht Rauchen und nur moderat Alkohol konsumieren, reduzieren sie ihr Brustkrebsrisiko deutlich. Denn diese Risikofaktoren haben eine weitaus grössere Bedeutung als die so oft kritisierten Hormone.
Kann Brustkrebs auch bei jüngeren Frauen auftreten und welche besonderen Aspekte sollten sie in Bezug auf die Vorsorge beachten?
Ja, leider sind auch jüngere Frauen unter 40 Jahren von Brustkrebs betroffen, jedoch deutlich seltener. In Bezug auf die Vorsorge gelten die oben erwähnten Möglichkeiten die unabhängig vom Alter sind. Allerdings gibt es in Bezug auf die Therapie ein paar Besonderheiten.
Jüngere Frauen stehen nicht selten ganz anders im Leben und haben unter Umständen ihren Kinderwunsch noch nicht abgeschlossen. Unter der Antihormontherapie, die oft für die Behandlung von Brustkrebserkrankungen notwendig ist, ist dies dann nicht mehr möglich. Daher ist es wichtig, mit den Frauen oder Paaren die Möglichkeiten zur Erhaltung der Fruchtbarkeit zu besprechen und eine Zuweisung in ein Zentrum für Reproduktionsmedizin zu veranlassen. Des Weiteren tritt bei jüngeren Frauen häufiger ein genetischer Gendefekt auf, daher ist eine genetische Beratung und Testung sinnvoll.
Welche Rolle spielt die Genetik bei Brustkrebs und wie kann ich mein genetisches Risiko einschätzen lassen?
Seit Angelina Jolie vor 10 Jahren ihre BRCA-Mutation öffentlich gemacht hat, ist das Thema Genetik in Bezug auf Brustkrebs weithin bekannt geworden. Viele Frauen sorgen sich, ob sie ebenfalls betroffen sein könnten. Seitdem haben die genetischen Beratungen erheblich zugenommen. Dabei sind lediglich fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebserkrankungen genetisch bedingt. Bis zu 30 Prozent der Fälle von Brustkrebs treten vermehrt in bestimmten Familien auf (bedingt durch Umweltfaktoren, unbekannte Gene usw.), was bedeutet, dass 70 Prozent der Erkrankungen auf zufällige Faktoren zurückzuführen sind. Das höchste Risiko für Brustkrebs besteht darin, eine Frau zu sein und älter zu werden.
Wenn eine Frau besorgt ist, ein erhöhtes Brustkrebsrisiko zu haben, kann sie sich bei einem Genetiker oder einer spezialisierten Fachperson beraten lassen. Wenn Hinweise auf ein Risiko von über zehn Prozent für eine positive Genetik vorliegen, kann nach einer Kostengutsprache durch die Krankenkasse ein Gentest durchgeführt werden. Frauen mit einem positiven Gentest erhalten Beratung darüber, was dies für sie und ihre Familie bedeutet. Frauen mit einer BRCA-Mutation haben ein 70-prozentiges Risiko in ihrem Leben an Brustkrebs zu erkranken und die meisten Frauen entscheiden sich dann für die prophylaktische Operation, den Weg, den auch Angelina Jolie gegangen ist. Auch die Familie väterlicherseits spielt eine wichtige Rolle in Bezug auf die Vererbung. Die Konsequenzen für Männer sind zwar weniger gravierend, jedoch können sie das defekte Gen an ihre Kinder weitergeben, wobei jedes Kind immer ein 50-prozentiges Risiko hat, das Gen zu erben.
Gibt es spezielle Ernährungsempfehlungen zur Vorbeugung von Brustkrebs?
Es gibt keine «Anti-Krebs-Diät», auch wenn dies manchmal propagiert wird. Es existieren jedoch Ernährungsempfehlungen, die sich positiv auf die Gesundheit, einschliesslich die Brustgesundheit, auswirken können. Wir haben Anhaltspunkte, dass chronisch unterschwellige Entzündungen im Körper Krankheiten begünstigen, darunter auch Krebserkrankungen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine entzündungshemmende Ernährung zu bevorzugen. Eine saisonale, biologisch angebaute, fleischarme Ernährung mit viel Gemüse, moderatem Obstkonsum sowie einer ausreichenden Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen wird für diesen Zweck empfohlen. Die Rolle von Vitamin D ist sowohl zur Vorbeugung vor Brustkrebs als auch nach der Diagnose sehr wichtig. In unseren Breitengraden können wir im Winter kein Vitamin D aufnehmen. Daher macht die Ergänzung von Vitamin D Sinn, vorzugsweise nach einer Laborbestimmung, die leider von den Krankenkassen nicht mehr übernommen werden.
Übergewicht, aber auch Untergewicht, sollte vermieden werden. Regelmässige Bewegung sollte zur täglichen Routine gehören. Schon 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität pro Woche, wie etwa Laufen, Radfahren oder Schwimmen, haben in Studien bei Frauen mit Brustkrebs eine Verringerung des Rückfallrisikos gezeigt. Es ist nicht notwendig, sofort einen Marathon zu laufen; es reicht bereits aus, beispielsweise eine Haltestelle früher auszusteigen oder die Treppe anstelle des Aufzugs zu nehmen.
Was bedeutet Integrative Medizin bei Brustkrebs?
Der Begriff Integrative Medizin beschreibt die kombinierte Anwendung von schulmedizinischen und komplementärmedizinischen Ansätzen. Komplementärmedizin umfasst diagnostische und therapeutische Methoden, die ergänzend zur Schulmedizin angewandt werden, um diese zu erweitern.
In der Integrativen Medizin führen wir das Beste aus zwei Welten zusammen, und bereits von Anfang an können komplementärmedizinische Methoden in die schulmedizinische Behandlung integriert werden. Eine der wahrscheinlich bekanntesten und am besten erforschten Therapien in der Komplementärmedizin ist die Misteltherapie. Eine breite wissenschaftliche Grundlage zeigt, dass diese Therapie sicher und effektiv ist. Auch ist die Misteltherapie inzwischen in den allgemeinen Empfehlungen und Leitlinien aufgeführt und wird empfohlen. Insbesondere begleitend zur Chemotherapie kann sie dazu beitragen, Nebenwirkungen und Folgen, wie das Fatigue-Syndrom, zu lindern. Darüber hinaus sind Methoden aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, der anthroposophischen Medizin, der Phytotherapie und Homöopathie gesetzlich anerkannt und gute Verfahren, Nebenwirkungen zu lindern und die Gesundung zu unterstützen. Mind Body Medizin wie Achtsamkeit, Yoga, Tai Chi und andere Praktiken haben grosses Potenzial, die konventionelle Therapie zu unterstützen und den Weg für die Patientinnen zu erleichtern.
Persönlich kann ich aus meinem klinischen Alltag als chirurgisch tätige Gynäkologin die Komplementärmedizin nicht mehr wegdenken. Wir benötigen sowohl die äussere Ärztin oder den äusseren Arzt mit der Schulmedizin, um krankheitsbedingte Veränderungen zu entfernen, als auch die innere Ärztin, die / der die körpereigenen Kräfte und Ressourcen fördert und unterstützt. Für mich ergeben sie ein grosses Ganzes.
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